Astronomie ist nichts für Warmduscher: entweder muß man in den Sommermonaten ewig warten, bis es halbwegs dunkel ist, oder aber man steht im Winter bei Minusgraden neben dem Rohr. Und mit zitternden Händen das Bild scharf stellen wird zur echten Herausforderung.
Upgrade 2020:
Das war im Februar 2020 Grund genug für mich, an meinem Vixen-Teleskop den Fokusierer zu motorisieren.
Zutaten:
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- Teleskop mit Goto – Montierung ✓
- Kleinrechner zum Steuern der Montierung (Raspberry Pi) ✓
- Okular-Kamera ✓
- (Schritt-)motor ✓
- Montagewinkel
- Getriebe
- Fernsteuer-rechner / Tablet/ Smartphone ✓
Ok, für einen Motorfokus braucht man eigentlich keine Goto-Montierung und auch keine Kamera. Der Rundumschlag sah aber eine komplette Fernsteuerung vor. Das muß ich mal separat erzählen.
Nur soviel schonmal: Für das Okular ist die Wahl auf das Raspberry Pi-Kamera Modul gefallen. Das ist im Nachhinein nicht die ideale Wahl, dennoch ein willkommener Grund, später wieder daran rumzubasteln.
Mechanik
Hrm, da fehlten ein paar der Zutaten – Zeit für den 3D Drucker!
Um den Motor minimalinvasiv am Okularauszug zu fixieren, bot es sich an, die vohandenen Schrauben am Auszug gegen ein paar längere auszutauschen und dort einen Winkel zu montieren.


Eines der beiden Antriebsrädchen, an denen man den Auszug verfahren kann, wurde durch ein Kunstoffzahnrad ersetzt.

Der Schrittmotor (28BYJ–48) bekam ebenfalls ein Kunstoffritzel und wurde nun mit seinen beiden Ohren an Langlöcher im richtigen Abstand verschraubt.


Warmduscher Astronomie
Das Raspberry Pi steuert nun über eine Treiberplatine den Motor – und das per WLAN!
Die kleine Kamera liefert dabei ein leidlich gutes Bild, das ebenfalls drahtlos übermittelt wird.
Zeit sich also im gut beheizten Zimmer am PC den Mond anzuschaun und nach Bedarf aus der Ferne scharf zu stellen.
„Downgrade“ 2021:
Über ein Jahr später habe ich mich nun doch entschieden, öfter mal wieder selbst durch das Okular zu schauen.
Aber was ist das !?! Ohne Wlan-Fernsteuerung kann man den Motorfokus garnicht bedienen. Da mußte natürlich Abhilfe her.
Jetzt bitte tief durchatmen, es geht ans Eingemachte!
Zutaten:
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- Motortreiber IC: L293D ✓
- Kleinstrechner/Mikrokontroller zur Motorsteuerung: AT Tiny45 ✓
- Taster
- Passende Buchse zum Anstöpseln des Motors
- Batterien
- Gehäuse
Tjaja, was man so in der Bastelkiste rumliegen hat..
Für den Rest hieß es jetzt: Shopping !
Solange der Paketbote unterwegs ist, kann man ja schonmal eine Platine entwerfen.
Siegessicher habe ich mit dem Know-How aus der Suchmaschiene meines Vertrauens die Beinchen des Mikrokontrollers mit den Eingängen des Treiber-IC’s verbunden.

Das Layout hat noch Macken !
Der spottbillige Schrittmotor vom Typ 28BYJ–48 ist eigentlich unipolar, d.h. er braucht beim Betrieb keine Umpolung – dank Mittelabgriff an den Spulen. Zur Not tut es aber auch dafür der erwähnte Treiber IC L293D mit umpolender 4-fach H-Brücke. Den gemeinsamen Pol läßt man hald weg.

Kopfrechnen
-mein Kontroller hat 8 Beinchen
– 2 brauche ich für die Stromversorgung: Plus und Minus
– 4 Gehen zum Treiber Baustein
– 1 Beinchen ist reserviert fürs Reset
Bleibt noch 1 Beinchen für den Vorwärts- und keins für den Rückwärtsknopf.
Das macht sich nicht gut beim Scharfstellen, immer in die gleiche Richtung zu drehen.
Trick 17
Mit Dioden Logik reicht der eine Pin für beide Taster:

Beide Taster schalten den Kontroller unter Strom, aber Dank Diode schaltet nur einer eine digitale „1“ an den übrigen Pin. Damit legt der kleine Rechner immer los, sobald Strom da ist und die Drehrichtung wird auch erkannt.
Außerdem ist so alles stromlos wenn gerade nicht scharf gestellt wird, und ich brauche keinen extra Ausschalter.
Programmierung
Zum Programmieren sind ein Paar Drähtchen vorübergehen an die Platine gelötet. Die kommen ab, wenn alles fertig ist.

Die Arduino IDE hilft mir, ein einfaches Testprogramm auf den kleinen Kontroller zu bringen.
#include <ATTinyCore.h> #include <util/delay.h> void setup() { DDRB=0xFE; // PB.0= input } void loop() { PORTB=0x02; _delay_us(500) PORTB=0x04; _delay_us(500) PORTB=0x08; _delay_us(500) PORTB=0x10; _delay_us(500) }
Also immer schön reihum Beinchen an, Beinchen aus.

Erster Test
Nachdem die Plantine entworfen, mit Tonerstransfer aufs Kupfer übertragen, geätzt, gebohrt, bestückt, programmiert und ein halbes Wochenende den Bach runter ist, kommt nun der erste Test.
Auf dem Osziloskop zeigen sich wunderbare Signalpulse – bis ich den Motor anschließe. Nichts geht mehr.
- Verdrahtung stimmt ..check
- Netzteil liefert Strom ..check
- Platine sieht gut aus .. check
- ..
..Auszeit
2 Wochen später
Die Taster sind da und Steckverbinder bzw. Buchsen für den Motor auch.

Zeit für eine erneute Fehlersuche – diesmal mit Unterstützung, denn alleine wird man schnell betriebsblind:
- Treiber Baustein von der Platine runter gelötet
- IC-Sockel eingebaut
- frischer Treiber-IC drauf
- alle Ströme und Spannungen gemessen
- …
Nach 4 Stunden die Erleuchtung! Der Kontroller startete sich ständig neu, weil ich die Abblock-Kondensatoren an den Eingängen der Stromversorgung unterschlagen hatte – schonwieder !!!
Es heißt, aus Fehlern wird man schlauer..
Verpackung
Jetzt, wo endlich alles ging, mußte es auch nett eingepackt werden.
Die bestellten Taster sind schön flach und können elegant im Gehäuse versenkt werden.
Ein paar Abstandhalter tragen die Platine und an der richtige Stelle sitzt das passende Loch für die Motor-Buchse.

Bei Thingiverse fand ich ein gelungenes Batteriefach für 3 AAA-Zellen.

Mit ein paar federnden Batterie-Kontakten aus Draht eingelassen in den Gehäusedeckel ist die Hülle komplett.


Jetzt, wo alles fertig ist, bin nicht nur ich Happy!

Und wenn es wieder zu kalt wird, steckere ich eben die Funkfernsteuerung an.